Blutvergiftung

Blutvergiftung (Sepsis): lebensbedrohliche Infektion des ganzen Körpers. Die Blutvergiftung ist wahrscheinlich häufiger als bislang angenommen – neuere Schätzungen gehen von rund 150 000 Erkrankten pro Jahr in Deutschland aus, von denen ~ 35 % sterben. Besonders gefährdet sind abwehrgeschwächte Patienten, eine Blutvergiftung kann sich aber auch bei vorher Gesunden entwickeln.

Leitbeschwerden und -befunde

Ausgangspunkt einer Blutvergiftung ist ein sich auf den übrigen Körper ausbreitender Infektionsherd. Dieser bewirkt eine überschießende Immunreaktion, die in keinem Verhältnis mehr zur lokalen Infektion steht. Entscheidend für die Schwere einer Blutvergiftung ist nicht das Ausmaß der Entzündung am lokalen Infektionsherd, sondern das Ausmaß des Kontrollverlustes bei den Mechanismen der Immunabwehr. Dementsprechend können auch vermeintlich kleine Verletzungen und leichte Infektionen zu einer schweren Blutvergiftung führen. Zu den klassischen Symptomen einer Blutvergiftung zählen:

  • Fieber über 38 °C oder Untertemperatur unter 36 °C. Typisch sind Fieberzacken mit schnellem Fieberanstieg, oft mit Schüttelfrost, dann Fieberabfall innerhalb eines Tages, gefolgt von erneutem Fieberanstieg
  • Puls über 90 Schläge/Minute
  • Systolischer Blutdruck ≤ 100 mmHg
  • Bewusstseinsveränderungen (Unruhe, Desorientiertheit) oder Bewusstseinsstörung
  • Über 20 Atemzüge pro Minute oder Nachweis einer Lungenfunktionsstörung
  • Deutlich zu wenige oder zu viele weiße Blutkörperchen im Blut
  • Ödeme
  • Erhöhter Blutzuckerspiegel

Das Problem: Diese Beschwerden können bei vielen anderen Erkrankungen ebenfalls auftreten. Andererseits können auch bei einer schweren Sepsis typische Krankheitszeichen fehlen.

Daher wurde die Sepsis-Definition 2016 überarbeitet: Verbindlich für das Vorliegen einer Sepsis ist demnach eine lebensbedrohliche Funktionsstörung (Organdysfunktion) von Nieren, Lungen, Herz oder Hirn. Sie entwickelt sich meist aufgrund einer Minderdurchblutung des entsprechenden Organs: Das überschießende Immunsystem reagiert auf die Infektion mit einer verstärkten Blutgerinnung. In der Folge bilden sich Blutgerinnsel in den Gefäßen der Organe und verschließen diese. Durch den massenhaften Verbrauch der Gerinnungsfaktoren entwickelt sich anschließend eine Blutungsneigung. Für die Definition einer Sepsis ist hingegen unbedeutend, ob die zugrundeliegende Infektion durch Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten verursacht ist. Allerdings handelt es sich in rund 95% der Fälle um Bakterien.

Wann zum Arzt

Heute noch, wenn bei einer Infektion der Eindruck besteht, sie würde eher schlechter als besser.

Sofort den Notarzt rufen, wenn

  • Der Kranke im Rahmen einer Infektion zunehmend unruhig, schläfrig oder verwirrt wird
  • Sich die Haut bläulich verfärbt (Zeichen für einen Sauerstoffmangel) oder rote Hautflecke auftreten (Zeichen von Gerinnungsstörungen)
  • Der Betroffene bei einer Infektion kaum oder keinen Urin mehr lässt („Grenze“ bei Erwachsenen etwa 500 ml oder 2–3 Toilettengänge täglich).

Die Erkrankung

Häufigste Ursache einer Blutvergiftung ist eine schwere bakterielle Infektion, bei der immer wieder Bakterien den Organismus überschwemmen. Ausgangspunkte sind besonders oft Infektionen der Atem- oder Harnwege.

Das Immunsystem versucht zwar noch, der Lage Herr zu werden, dies gelingt ihm aber oft nicht. Schließlich schaden nicht nur die Bakterien selbst, sondern auch die eigentlich sinnvollen und zur Infektionsbekämpfung gedachten Abwehrreaktionen und Botenstoffe dem Organismus. Kreislauf und Blutgerinnung brechen zusammen, Herz, Lunge und Nieren werden zunehmend in Mitleidenschaft gezogen.

Im Gegensatz zu tropischen Ländern sind in Mitteleuropa Pilze selten, die für einen gesunden Organismus ernsthaft gefährlich werden können. Bei Menschen mit erheblich geschwächtem Immunsystem lösen allerdings auch eher harmlose Pilze wie Candida albicans schwerste Erkrankungen bis hin zur Blutvergiftung aus. Gefährdet sind z. B. Frühgeborene, Leukämiekranke und Menschen mit angeborener oder erworbener Immunschwäche.

Variables Bild. Eine bakterielle Sepsis entwickelt sich meist rasch, manchmal innerhalb weniger Stunden, aus einer anfangs nicht selten harmlos aussehenden Infektion. Dass hohes Fieber zwingend erforderlich ist, ist ein Irrglaube – gerade bei älteren Menschen fehlt es häufig. Auch das Aussehen des Kranken ist kein zuverlässiger Anhaltspunkt: Zwar sehen viele Betroffene „schlecht“ aus und zunehmender Verfall ist immer ein Alarmzeichen, doch gerade zu Beginn einer Blutvergiftung sieht der Patient nicht selten „gut“ und rosig aus, denn Herz und Kreislauf laufen auf Hochtouren.

Rote Streifen, die von einer Verletzung an Hand oder Fuß in Richtung Rumpf ziehen, sind kein Zeichen einer Blutvergiftung, sondern einer Entzündung der Lymphgefäße (Lymphangitis) unter der Haut durch eine Wundinfektion. Diese ist nicht akut bedrohlich, erfordert aber auch eine ärztliche Behandlung.

Eine Pilzsepsis beginnt meist ganz langsam: Der Patient fühlt sich abgeschlagen, müde und schwitzt nachts. Die Beschwerden gehen aber im Gegensatz zu vorübergehenden leichteren Infektionen nicht weg, sondern werden immer schlimmer.

Schwere Blutvergiftung und septischer Schock. Gelingt es nicht, die Blutvergiftung schnell zu kontrollieren, kommt es zur Kreislaufbeeinträchtigung mit zu niedrigem Blutdruck und zu Organschädigungen, vor allem der Lunge (Warnzeichen: bläuliche Hautverfärbung), des Gehirns (Warnzeichen: Unruhe, Schläfrigkeit, Verwirrtheit), der Nieren (Warnzeichen: verminderte Urinproduktion) und der Gerinnung (erkennbar z. B. an roten Hautflecken). Eine schwere Blutvergiftung hat sich entwickelt. Es droht dann unmittelbar der lebensbedrohliche septische Schock mit Kreislaufkollaps.

Nicht selten kommt es zum Multiorganversagen. Hier versagen mindestens zwei lebenswichtige Organe, z. B. Lunge und Niere oder Leber und Gehirn.

Ein Multiorganversagen kommt nicht nur bei der Blutvergiftung vor, sondern auch im Verlauf von Mehrfachverletzungen, z. B. bei Verkehrsunfällen, oder beim Leberversagen als Endstadium einer Leberzirrhose.

Das macht der Arzt

Bei Verdacht auf eine Blutvergiftung wird der Kranke sofort in eine Intensivstation eingewiesen. Blut-, Urin-, Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen und gegebenenfalls eine Liquoruntersuchung (Untersuchung von Hirnwasser) sollen schnellstmöglich Art und Schwere der Infektion klären, denn wenige Stunden können über das Überleben entscheiden. Unmittelbar nach Abnahme der verschiedenen Proben beginnt die antiinfektive meist antibiotische Behandlung. Oft ist der Zustand des Betroffenen so ernst, dass er auf der Intensivstation künstlich ernährt und eventuell sogar beatmet werden muss.

Trotzdem bleibt die Behandlung oft erfolglos, was auch daran liegt, dass eine Blutvergiftung häufig ältere und abwehrgeschwächte Patienten betrifft, die dem Erreger nicht mehr viel „entgegenzusetzen“ haben.

Weiterführende Informationen

  • www.sepsis-gesellschaft.de – Deutsche Sepsis-Gesellschaft e. V., Jena: Unter der Rubrik Was ist Sepsis finden sich gute Informationen für Laien sowie für Personen mit Vorkenntnissen.