Hypospadie, Epispadie und andere Harnröhrenfehlbildungen

Hypospadie: Häufigste Fehlbildung der Harnröhre mit Endung der Harnröhre an der Penisunterseite. Bei der selteneren Epispadie findet man eine offene Harnröhren-Rinne an der Penisoberseite. Weitere Fehlbildungen wie die Harnröhrenduplikatur (doppelt angelegte Harnröhre) oder die bis zur Blase reichende Spaltbildung (Blasenekstrophie) sind noch seltener. Rechtzeitig operiert, ist bei Harnröhrenfehlbildungen eine Heilung fast immer möglich.

Sowohl Epispadie als auch Hypospadie gehen häufig mit zusätzlichen anderen Fehlbildungen einher wie Hodenhochstand, angeborenem Leistenbruch sowie Fehlbildungen des Herzens.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Ästhetisch störende Erscheinung der Eichel und des Penis
  • Ablenkung des Urinstrahls
  • Psychische Probleme in der Pubertät
  • Schmerzhafte bis unmögliche Erektion
  • Verkrümmung des Penis mit Störung des Geschlechtsverkehrs
  • Beeinträchtigung des Wasserlassens und des Samenergusses
  • Nur bei der Epispadie: Unfähigkeit, das Wasser zu halten.

Wann zum Arzt

Kinder mit einer Epispadie fallen sofort nach der Geburt auf. Auch die Hypospadie wird in der Regel sehr schnell erkannt. Sobald Beschwerden auftreten oder Eltern die Fehlbildung erkennen, muss das Kind beim Kinderarzt vorgestellt werden.

Die Erkrankung

Hypospadie

Die Hypospadie ist mit 5–37 Fällen pro 10.000 Geburten eine relativ häufige Fehlbildung. Die Harnröhrenöffnung findet sich dabei an der Unterseite des Penis, der zudem auch noch gekrümmt sein kann und/oder eine unzureichend angelegte Vorhaut hat. Am häufigsten mündet die fehlangelegte Harnröhre im vorderen Bereich des Penis (vordere Hypospadie). Je weiter vorne sie liegt, desto weniger ausgeprägt sind die Beschwerden. Hypospadien mit einer Harnröhrenmündung nahe am Körper sind dagegen selten. Sie werden hintere Hypospadien genannt und sind gelegentlich mit Chromosomenstörungen verbunden, die zu einer Störung der Geschlechtsentwicklung führen (46 XX Männer, Klinefelter-Syndrom, Pseudohermaphroditismus). Weitere begleitende Fehlbildungen bei Hypospadie sind der Hodenhochstand, Fehlbildungen am Herzen oder am Analkanal.

Die genaue Ursache der Entwicklungsstörung ist noch unklar. Weil Brüder von Patienten mit einer Hypospadie ein etwa 14%iges Risiko haben, ebenfalls eine Hypospadie zu entwickeln, geht man von einer genetischen Veranlagung aus. Diese genetischen Veränderungen führen zu Enzymdefekten des männlichen Hormonhaushaltes, so ist z. B. der Androgenmangel eine Hauptursache der Hypospadieentwicklung.

Über hormonelle Einflüsse lässt sich auch der weltweite Anstieg der Hypospadien erklären: Es wird angenommen, dass die Umweltverschmutzung mit östrogen aktiven Substanzen aus Insektiziden oder Plastik (Weichmacher) die Entwicklung einer Hypospadie fördert. Daneben ist das Hypospadie-Risiko erhöht bei fortgeschrittenem Alter der Mutter, niedrigem Geburtsgewicht und in-vitro-Fertilisation – die Ursache dafür ist unklar.

Epispadie

Die Epispadie, also die Spaltung der Harnröhre auf der oberen Penisseite, ist mit etwa 3/100.000 Geburten weitaus seltener als die Hypospadie. Die offene Harnröhre kann bis zur Blase reichen und ist dann oft mit einer Spaltblase vergesellschaftet (siehe dort). Die Ursache dieser Entwicklungsstörung ist nicht bekannt, eine familiäre Häufung wie bei der Hypospadie ist selten. Trotzdem gehen die Experten davon aus, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren die Epispadie begünstigen.

Auch die Epispadie ist manchmal mit anderen Fehlbildungen assoziiert: Vor allem kommen Deformitäten der Wirbelsäule und des Beckens, Anomalien des Harntrakts, Leistenhernien und Fehlbildungen des Herzens vor.

Diagnosesicherung

Die Fehlbildungen der männlichen Harnröhre sind eine typische Blickdiagnose. Um keine weiteren Veränderungen der Harnorgane zu übersehen, führt der Arzt eine Ultraschalluntersuchung der Harnwege durch, bei auffälligen Befunden veranlasst er auch ein Urogramm oder eine Miktionszysturethrografie.

Bei der hinteren Hypospadie besteht ein erhöhtes Risiko für Störungen der Geschlechtsentwicklung. Um dies abzuklären, veranlasst der Arzt Hormonanalysen und lässt ein Karyogramm (die mikroskopische Darstellung des Chromosomensatzes einer Zelle) erstellen.

Behandlung

Hypospadie. Therapie der Wahl ist die frühzeitige Operation mit dem Ziel einer ausreichend weiten Mündung der Harnröhre, die auf der Eichel liegen soll. In der Regel wird zwischen dem 6. und dem 18. Lebensmonat operiert. Ferner stellen die Operateure den Penis so gut wie möglich gerade und sorgen für "normale", faltenfreie Hautverhältnisse auf dem Penis.

Bei nur wenig verlagerter Harnröhrenmündung (vordere Hypospadie) besteht die Operation aus einem verhältnismäßig unkomplizierten plastischen Eingriff. Bei den hinteren Hypospadien ist die Operation aufwendiger; gelegentlich sind Eigentransplantate aus Vorhaut oder Wangenschleimhaut erforderlich. Ausgeprägte Hypospadien operieren die Ärzte oft in zwei Eingriffen, um ein einwandfreies Ergebnis zu erreichen.

Epispadie. Bei der Therapie der Epispadie ist das Ziel, dass Betroffene ihren Harn halten können. Meist verschließen die Ärzte die offene Harnröhre bis zum 12. Lebensmonat. Liegt neben der Epispadie eine Spaltblase vor, muss diese sofort nach der Geburt versorgt werden (siehe dort). Für ein zufriedenstellendes Ergebnis sind auch bei der ausgeprägten Epispadie oft zwei Eingriffe nötig.

Komplikationen. Bei den Operationen treten häufig Komplikationen (10 %) auf, so entstehen z. B. Verbindungen zwischen der neuen Harnröhre und der Haut (Fistelbildungen) sowie Verengungen der Harnröhre (Harnröhrenstrikturen). Bei Hauttransplantaten kann es zum Untergang (Nekrose) des Transplantates kommen. Alle diese Komplikationen erfordern eine neue Operation.

Prognose

Die Prognose von Epispadie und Hypospadie hängt vom Ausmaß der Fehlbildung ab. Vordere Hypospadien lassen sich in der Regel sehr gut operativ korrigieren.

Je schwerer die Fehlbildung und je aufwendiger der nötige Eingriff ist, desto größer das Risiko, dass sich Folgeprobleme wie Fisteln oder Harnröhrenstrikturen entwickeln. Daneben ist bei wiederholten Operationen die psychische Belastung für die Betroffenen häufig groß.