Retinitis pigmentosa
Retinitis pigmentosa: (Retinopathia pigmentosa) Angeborene Netzhauterkrankung mit einer sich schleichend entwickelnden Sehbehinderung bis zur Erblindung. Die ersten Symptome sind Nachtblindheit und Tunnelblick und treten meist schon im Jugendalter auf. Ursache ist ein genetisch bedingter allmählicher Untergang der Photorezeptoren, der bisher durch keine Therapie aufzuhalten ist. In Deutschland sind etwa 30-40.000 Menschen von einer Retinitis pigmentosa betroffen.
Symptome und Leitbeschwerden
- Gestörtes Dämmerungssehen
- Nachtblindheit
- Tunnelblick
- Verminderte Sehschärfe
- Gestörtes Farb- und Kontrastsehen
- Blendungsempfindlichkeit.
Wann zum Arzt
In den nächsten Tagen, wenn
- oben genannte Symptome auftreten.
Die Erkrankung
Krankheitsentstehung
Die Retinitis pigmentosa ist gekennzeichnet durch einen genetisch bedingten Untergang der Sinneszellen in der Netzhaut. Über 150 verschiedene Gene können die Erkrankung auslösen. Sie tritt häufig spontan auf, manche Formen werden aber auch vererbt, sowohl autosomal-dominant, autosomal-rezessiv als auch an das X-Chromosom gekoppelt. Bei allen Formen degenerieren die Sinneszellen der Netzhaut, der zeitliche Verlauf und das Fortschreiten der Erkrankung variieren aber von Form zu Form. Bei etwa einem Viertel der Patienten ist die Retinitis pigmentosa Teil eines Syndroms (Usher-Syndrom, Alport-Syndrom). Sie leiden dann zusätzlich unter anderen Beschwerden wie Schwerhörigkeit, Muskelschwäche oder geistige Entwicklungsstörungen.
Verlauf
Das Absterben der Photorezeptoren beginnt häufig im Jugendalter und verläuft oft in einer bestimmten Reihenfolge: Zuerst sind die Stäbchen betroffen, also die Sinneszellen, die für das Sehen in der Dämmerung und bei Nacht verantwortlich sind. Folglich sind die ersten Symptome der Retinitis pigmentosa Nachtblindheit und ein gestörtes Dämmerungssehen.
Im Verlauf über Jahre kommen weitere Sehstörungen dazu: Weil die Photorezeptoren vom Rand zum Zentrum der Netzhaut hin absterben, verengt sich das Gesichtsfeld immer mehr zu einem Tunnelblick. Spätestens jetzt ist der Betroffene so eingeschränkt, dass er sich kaum ohne Blindenhilfsmittel bewegen kann - auch wenn das Zeitunglesen unter Umständen noch möglich ist. Mit Untergang der Zapfen werden schließlich die zentrale Sehschärfe und das Farbsehen beeinträchtigt. Zusätzlich ist auch das Kontrastempfinden vermindert und die Blendempfindlichkeit erhöht. Insgesamt wird die Sehfähigkeit zunehmend schlechter und es kommt zur Erblindung.
Diagnosesicherung
Neben der gründlichen Basisuntersuchung testet der Augenarzt die Sehleistung anhand der Visus-Messung und prüft das Gesichtsfeld mit der Perimetrie. Bei der Spiegelung des Augenhintergrunds sieht der Arzt oft die typischen Knochenkörperchen, also die Pigmentablagerung in der Netzhaut (deshalb Retinitis pigmentosa).
Diagnostiziert wird die Retinitis pigmentosa zudem mit Hilfe des Elektroretinogramms. Dabei werden Lichtreize abgegeben und die von der Netzhaut gebildeten Potenziale aufgezeichnet. Diese elektrischen Potenziale spiegeln die Aktivität der Stäbchen und Zapfen wider, woraus der Augenarzt auf ihre Funktion bzw. Degeneration schließt. Die Ergebnisse aller Untersuchungen werden zur Verlaufskontrolle dokumentiert.
Differenzialdiagnosen
In den frühen Phasen vor allem die Nachtblindheit. Gesichtsfeldausfälle kommen auch bei der Netzhautablösung, beim Grünen Star oder bei Hirntumoren vor.
Behandlung
Für diese seit 150 Jahren bekannte Erkrankung gab und gibt es eine Vielzahl von Therapieversuchen (u. a. Elektrostimulation, Placenta-Injektionen, gefäßerweiternde Medikamente). Keine der Methoden konnte bisher jedoch den Untergang der Photorezeptoren aufhalten.
Kontrovers diskutiert wird die Gabe von hochdosiertem Vitamin A, die auf manche Formen der Retinitis pigmentosa eine günstige Wirkung haben soll. Eine solche Einnahme muss aufgrund ihrer Sinnhaftigkeit und ihrer Nebenwirkungen unbedingt mit dem behandelnden Augenarzt abgesprochen werden. Kontraindiziert ist auf jeden Fall die Gabe von hochdosiertem Vitamin A bei Frauen mit Kinderwunsch, Schwangeren und Patienten mit Lebererkrankungen.
Die Forschung stützt sich dagegen auf die Gentherapie, d. h. den Ersatz der kranken durch funktionierende Gene sowie den Ersatz der erkrankten Netzhaut mit elektronischen Hilfsmitteln:
- Gentherapie. Die Zerstörung eines toxischen Gens und der Ersatz mit dessen intakter Kopie ist US-amerikanischen Forschern an Hunden mit einer autosomal-dominant vererbten Retinitis pigmentosa gelungen. Die Forscher konnten einen Virus als Träger unter die Netzhaut der Hunde injizieren und dadurch sowohl das toxische Gen in den Stäbchen ausschalten als auch ein intaktes Gen einschleusen. Damit haben sie die Stäbchen sozusagen wiederbelebt - sie setzten Lichtimpulse wieder in Nervensignale um. Diese Form der Therapie gibt Patienten Hoffnung, die an einer autosomal dominant vererbten Form leiden. Neben dieser Gentherapie werden noch weitere molekularbiologische Verfahren zur Behandlung der Retinitis pigmentosa erforscht.
- Elektronische Netzhautimplantate. Hier ist man schon weiter als bei der Gentherapie - hunderte von Patienten wurden inzwischen weltweit mit verschiedenen Systemen versorgt. Trotz aller Erfolge sind die visuellen Verbesserungen durch Netzhautimplantate von einem "normalen Sehen" noch weit entfernt. Das Tübinger "Retina Implant System", ein unter die Netzhaut implantierter Chip mit externer Bedienungseinheit, erreicht eine Sehschärfe von gerade einmal 3 %. Das epiretinale "Argus-2-Retinaprothesensystem" der Firma Second sight besteht aus Brillenkamera, auf die Netzhaut implantierten Chip und Minicomputer und erlaubt das grobe Unterscheiden von Linien und Quadraten.
Prognose
Die Retinitis pigmentosa ist eine fortschreitende Erkrankung die früher oder später zur Erblindung führt. Eine Therapie ist noch nicht in Sicht.
Weiterführende Informationen
Die Selbsthilfevereinigung PRO RETINA bietet auf Ihrer Website Hilfe und fundierte Informationen für Betroffene und Ihre Angehörigen: www.pro-retina.de.