Einlagen, Windeln oder Pants besser?
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Harninkontinenz ist ein weit verbreitetes Übel. Oft schämen sich die Betroffenen, isolieren sich und würden ihre vier Wände am liebsten gar nicht mehr verlassen. Dabei gibt es heute ausgefeilte Inkontinenzprodukte, die ganz diskret für Trockenheit und Sicherheit sorgen. Wissenswertes rund um Einlagen, Windeln und Pants finden Sie in unserem Ratgeber.
Frauen benachteiligt
Sechs bis acht Millionen Menschen in Deutschland haben Probleme, ihre Blase zu kontrollieren. In der Folge verlieren sie ständig oder auch situationsbedingt – zum Beispiel beim Husten oder Lachen – kleinere oder größere Mengen Urin. Betroffen sind vor allem Frauen. Das liegt unter anderem am Aufbau des weiblichen Beckenbodens. Zum einen hat er eine Öffnung mehr, zum anderen ist er weniger straff, um sich bei einer Geburt leichter zu dehnen. Zusätzlich belastet und geschwächt wird der weibliche Beckenboden durch Geburten und Schwangerschaften.
Mit Medikamenten lässt sich die Harninkontinenz kaum beeinflussen. Besser helfen beckenbodenstärkende Gymnastik oder beispielsweise eine Gewichtsreduktion. In den allermeisten Fällen bleibt es beim Urinverlust und die Betroffenen sind auf Hilfsmittel angewiesen. Am häufigsten verwendet werden aufsaugende (absorbierende) Produkte. Sie nehmen ein Vielfaches ihres Eigengewichtes an Urin auf und verteilen diesen innerhalb einer speziell konstruierten Saugschicht.
Superabsorber Natrium-Polyacrylat
Das Geheimnis dieser sogenannten Superabsorber ist meist Natrium-Polyacrylat. Die Natriumionen ziehen das Wasser osmotisch an und es bildet sich ein Hydrogel. Je mehr Natrium im Superabsorber enthalten ist, desto mehr Wasser wird aufgenommen und gebunden. Das Ganze geschieht fern von der Haut in der Hydrogelschicht – die innere Oberfläche des Produkts bleibt trocken.
Damit der Urin nicht nur im Bereich der Harnröhrenöffnung zu Hydrogel wird und dort einen Klumpen bildet, sorgt eine Verteilschicht dafür, dass die Flüssigkeit verteilt und über den gesamten Aufsaugkern gebunden wird. Weil der Urin im Hydrogel gebunden ist, ist auf der Außenseite keine wasser- und luftdichte Folie zum Abdichten nötig. Stattdessen kommt eine atmungsaktive Außenschicht zum Einsatz, was den Tragekomfort von Windeln & Co. deutlich verbessert.
Hinweis: Die Superabsorberhaben einen weiteren Vorteil: Sie binden nicht nur die Flüssigkeit des Urins, sondern auch den Geruch.
Einlage, Windel oder Pants?
Die technischen Errungenschaften von Superabsorber, Verteilschichten und atmungsaktiver Außenseite finden sich im Prinzip in allen aufsaugenden Inkontinenzprodukten. Dabei kann man je nach Stärke der Undichtigkeit zwischen verschiedenen Formen wählen:
- Einlagen. Für leichtes Harnträufeln zwischendurch (etwa 30 ml/Tag) reichen oft Einlagen. Ähnlich wie Monatsbinden haben diese zum Befestigen in der Unterhose einen Klebstreifen auf der Rückseite. Einlagen für Harninkontinenz gibt es in unterschiedlichen Formen für Männer und für Frauen.
- Vorlagen. Gehen am Tag nicht mehr als etwa 300 ml Urin ab, werden meist Vorlagen empfohlen. Diese sind größer als Einlagen und speziell für Männer oder Frauen anatomisch geformt. Vorlagen werden nicht in die Unterhose geklebt, sondern mit einer elastischen Netzhose fixiert. Auf diese Weise schmiegen sie sich sehr gut an und zeichnen sich unter der Kleidung kaum ab. Über Netzhose und Vorlage kann auf Wunsch auch normale Unterwäsche getragen werden.
- Inkontinenzwindel. Windeln sind ab einer mittleren Inkontinenzstärke angezeigt, also wenn mehr als etwa 300 bis 400 ml Urin am Tag verloren gehen. Sie liegen eng am Körper an und werden seitlich mit Klebestreifen geschlossen. Solche Inkontinenzwindeln kommen vor allem bei bettlägerigen, pflegebedürftigen Menschen zum Einsatz. Es gibt auch Varianten, die zusätzlich mit einer Art Hüftgürtel gehalten werden. Dieses System ist für Menschen gedacht, die noch körperlich aktiv sind.
- Pants oder Windel-Slips. Besonders praktisch und für alle Inkontinenzformen geeignet sind Windelpants, die sich wie ganz normale Unterhosen anziehen lassen. Gegen Auslaufen bieten sie spezielle elastische Bündchen. Sie lassen sich beim Toilettengang wie eine normale Unterhose herunterziehen. Sind sie nicht beschmutzt, kann man sie einfach weiterverwenden. Pants gibt es unisex oder in spezieller Ausführung für Männer bzw. Frauen. Damit sie wirklich dichthalten, ist die passende Größe wichtig. In der Regel sind die Größen mit S, M, L, XL und XXL gekennzeichnet. Sie bemessen sich nach dem Bauchumfang.
Oft macht es Sinn, verschiedene Produkte zu kombinieren. So reichen z. B. tagsüber oft Einlagen oder Vorlagen, die häufig gewechselt werden, während nachts eine aufnahmefähigere Windel einen ruhigen Schlaf ermöglicht.
Tipp: Windeln anlegen ist gar nicht so einfach, sei es bei einem selbst oder bei jemand anderem. Einige Hersteller bieten auf ihrer Homepage Beschreibungen und Schulungsvideos zur Verwendung von Inkontinenzprodukten an.
Einweg oder Mehrweg?
Auch bei Inkontinenzprodukten für Erwachsene gibt es wiederverwendbare, waschbare Lösungen. Allerdings hat sich die Auswahl in den letzten Jahren reduziert. Wiederverwendbare Produkte haben ein Mehrkammersystem und einen Vliesschicht, die den Rückfluss des Urins Richtung Körper und Haut verhindern sollen. Sie können in der Regel bis zu 300-Mal bei 95° C gewaschen und in den Trockner geworfen werden. Bügeln ist jedoch aufgrund der speziellen Gewebe verboten.
Hinweis: Ob die Ökobilanz bei Mehrwegprodukten wirklich besser ist als bei Einwegwindeln, wird auch bei Säuglingswindeln immer wieder heftig diskutiert. Strom- und Wasserverbrauch für die Aufbereitung sind beispielsweise nicht zu unterschätzen.
Hautschutz unter der Windel
Neben der richtigen Nutzung der aufsaugenden Hilfsmittel ist bei der Inkontinenz auch die Hautpflege von großer Bedeutung. Das gilt vor allem beiälteren Menschen, weil alternde Haut weniger widerstandsfähig gegenüber äußeren Reizen ist. Zur Pflege empfiehlt sich:
- Waschen. Den Intimbereich nur mit lauwarmem Wasser und alkalifreien, ph-neutralen und rückfettenden Substanzen waschen. Ideal sind weiche (!) Einmalwaschlappen. Haut danach gründlich, aber vorsichtig trocknen. Nicht rubbeln, da hierbei kleinste Verletzungen oder Risse drohen. Trockenfönen ist nicht erlaubt, da dies die Haut zu sehr austrocknet.
- Pflege. Zur Hautpflege bieten sich spezielle Pflegeöle oder Wasser-in-Öl-Emulsionen an. Keine Öl-in-Wasser-Emulsionen verwenden, sie quellen die Hornschicht auf und trocknen die Haut aus. Auch Babyöle sind ungeeignet, da sie oft reizende Duftstoffe enthalten. Spezielle feuchtigkeitsbindende Pflegeprodukte für Inkontinente, z. B. auf der Basis von Harnstoff oder Aloe vera, gibt es in der Apotheke.
- Schutz. Um die Haut von Windel- und Vorlagenträger vor Urin und Stuhl zu schützen, wurden spezielle Barriereprodukte entwickelt. Diese enthalten natürliche Öle, Silikonöle oder Zinkoxid bzw. Kombinationen daraus und sind in der Apotheke erhältlich.
Hinweis: Puder und Vaseline schaden mehr als sie schützen: Puder verklumpt und wirkt wie Schmirgelpapier auf die Haut, Vaseline mindert die Saugfähigkeit der absorbierenden Wirkstoffe und Schichten.
Ableiten statt aufsaugen
Bettlägerige Patienten mit schwerer Inkontinenz werden manchmal auch mit Dauerkathetern versorgt. Dafür schieben Ärzt*innen oder Pflegepersonal einen doppellumigen Schlauch aus Silikon durch die Harnröhre bis in die Blase. Dauerkatheter bergen ein hohes Infektionsrisiko, weshalb der Einsatz immer kritisch abzuwägen ist.
Zum Auffangen des Urins verbindet man den Katheter mit einem Auffangbeutel. Hier gibt es verschiedene Systeme. Bei Bettlägerigen verwendet man meist Urinbeutel aus Plastik, die an einem Gestell am Bettrand aufgehängt werden und aus denen man den Urin regelmäßig ablässt. Mobile Patienten haben die Möglichkeit, den Urinbeutel am Bein zu befestigen.
Für Männer gibt es eine weitere Methode der Harnableitung: Das Urinalkondom. Es wird wie ein Präservativ über den Penis gestreift und mit Hilfe von Klebestreifen befestigt. An der Spitze des Kondoms befindet sich ein Schlauch, durch den der Urin in den am Bein befestigten Urinbeutel abfließen kann.
Quellen: Schäfer C, DAZ 2020; 37: 49; Bruhn C, DAZ 2013; 26: 44